henA. Hechinger Eck

Das rund 3.5 ha große Plangebiet „Hechinger Eck Nord“ befindet sich in der Tübinger Südstadt, südwestlich des Loretto Areals.

Für das nördliche  Baufeld A hat die GWG Tübingen unser Büro im Zuge eines VgV-Verfahrens mit den Planungen eines gemischt genutzten Gebäudes beauftragt. 

In einem ein- bis sechsgeschossigen Baukörper sind Flächen für die Grundschule am Hechinger Eck, 60 Pflegeplätze für die Altenhilfe Tübingen, gewerbliche Nutzungen und 29 geförderte Mietwohnungen geplant.

Nutzungen

Schule

Die Erweiterung der Schule am Hechinger Eck nimmt weite Teile des Erdgeschosses in Anspruch. Sie umfasst, neben Klassen- und Betreuungsräumen für vier Schulklassen, eine Schulmensa und Aufenthaltsräume des Lehrerkollegiums. Die Schule wird über einen, von dem Pflegeheim und den Wohnungen getrennten, Gebäudeeingang erschlossen. Der nördliche Freiraum dient weiterhin als Aufenthalts- und Pausenbereich. Die im Südosten des Gebäudes untergebrachte Mensa grenzt unmittelbar an den kleinen Quartiersplatz im Süden und bietet sich somit gut für eine Mehrfachnutzung außerhalb des Schulbetriebs an.

Pflegeheim

Im ersten und zweiten Obergeschoss befindet sich das Pflegeheim der AHT.

Es entstehen 60 Betreuungsplätze. Die funktionale Ausdehnung des Pflegeheims bestimmt maßgeblich den Grundflächenbedarf des Gebäudes: Um eine ideale Betreuungssituation zu gewährleisten liegen jeweils zwei Wohngruppen mit 15 Pflegezimmern und Gemeinschaftsflächen auf einer Ebene. 

Eingangsbereich und den Wohngruppen dienende Nebenräume befinden sich im Erdgeschoss, Empfang und Verwaltung sitzen im ersten Obergeschoss.

Wohnen

Im dritten, vierten und fünften Obergeschoss sind 29 geförderte Mietwohnungen mit Größen von ca. 45m² bis 105m² geplant.

Gewerbe

Im Erdgeschoss liegen Richtung Hechinger Straße / Vorplatz Gewerberäume. 

Diese werden von der GWG vermietet. 

Tiefgarage

Unter dem Gebäude ist eine Tiefgarage mit 63 PKW-Stellplätzen, Fahrradstellplätzen, Technik- und Nebenräumen geplant.Die Tiefgarage wird über den südlich angrenzenden Block B erschlossen.

Konstruktion / Holzbau

Wunsch der Bauherrschaft ist das Gebäude soweit möglich als Holzbau zu errichten.

Gründe hierfür sind u.a.

  • CO2 Einsparung
  • Reduzierung von Gebäudelasten/Aussteifung im Hinblick auf die hier vorliegende Erdbebenzone 3
  • Mögliche Vorfertigung, um Bauzeit zu minimieren
  • Höhere Planungstiefe in Entwurfs- und Werkplanung, dadurch höhere Kostensicherheit
  • Sichtbare Holzkonstruktionen/Oberflächen. Positive Atmosphäre für Bewohner

Das Projekt wird in großen Teilbereichen in Brettsperrholz- (BSPH) Bauweise errichtet. In dieser und vergleichbaren Bauweisen („flächige Holzbausysteme“) fand in den letzten Jahren ein großer Innovationsschub statt.

Die flächigen Bauweisen bieten explizit in erdbebengefährdeten Gebieten wie Tübingen große Vorteile, da sie durch Ihren Aufbau eine systemgegebene Steifigkeit bieten.

Statisches Konzept

Aufgrund der Nutzungsänderungen über 5 Geschosse – Tiefgarage, großflächige Raumanforderungen für Schule und Gewerbe im EG, Pflegeheim im 1. und 2. OG, sowie unterschiedliche Wohnungstypologien im 3. -5. OG war eine durchgängige Lastabtragung nicht möglich.

Daher wurde ff. statisches Konzept unter Berücksichtigung der jeweiligen Stärken der Baustoffe entwickelt:

Tiefgarage und Erdgeschoss mit großen Spannweiten in Stahlbetonbauweise.

Das Pflegeheim über 2 Geschosse in Holz-Hybridbauweise. Die Pflegezimmer werden mit Holzwänden und Holzdecken erstellt, die Allgemeinbereiche mit größeren Spannweiten in Stahlbeton. Vorteil hier: Die Stahlbetondecken leiten die Verformungen im Erdbebenfall in die aussteifenden Erschließungskerne aus Stahlbeton ein.

Ab dem 3. Obergeschoss – Wohnen – ist eine reine Holzkonstruktion mit Brettsperrholzdecken, BSPH-Innenwänden und Holzständeraußenwänden geplant.

Die Bewohnerbäder des Pflegeheims und die Bäder der Wohnungen sollen als vorelementierte Sanitärfertigzellen in Holzmodulbauweise errichtet werden. 

Die Tragkonstruktionen der Decken und Wände sollen soweit möglich als sichtbare Holzoberflächen in den Bewohnerzimmer und Wohnungen für die Bewohner wahrnehmbar sein. Gerade in einem Pflegeheim ist dies ein innovativer Ansatz, der so bisher vermutlich kaum realisiert wurde.

Die beim Bauvorhaben gewählten Verbindungslösungen orientieren sich zum einen stark an der erdbebengefährdeten Lage des Bauortes Tübingen, zum anderen an den Anforderungen des Brandschutzes. So sind Verbindungen zu entwickeln, die hoch tragfähig, jedoch zugleich montagefreundlich und systematisch sind; weiterhin in vielen Teilbereichen nicht sichtbar, also versenkt oder brandschutztechnisch geschottet ausgeführt werden.

Der Einsatz von BSPH ist damit ein aktiver Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz und zur Energieeinsparung. Der Einsatz von Holz als nachwachsendem Rohstoff schont die nur begrenzt verfügbaren fossilen Ressourcen. BSPH bietet umweltverträgliche Möglichkeiten der Entsorgung und Wiederverwendung. Die intensive Nutzung von Holz aus heimischer Forstwirtschaft zur Herstellung von BSPH schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum und bietet Einkommensperspektiven für die Forstwirtschaft.

Vorbildwirkung für den Holzbau

Das Projekt leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Weiterentwicklung einer Holzbaukultur. Verschiedenste Nutzungen durch Wohneinheiten, Altenheim, Schule und Gewerbeeinheit sowie darunter liegender Tiefgarage schaffen an vielen Stellen architektonische, geometrische, statische, brandschutztechnische usw. Randbedingungen, die nur unter großem planerischen Aufwand und Liebe für das Detail zu vereinen sind. Das Projekt zeigt, dass auch solche anspruchsvollen Aufgaben in Holz- bzw. Holzhybridbauweise möglich und durchführbar sind.

Weiterhin liegt Tübingen in einem stark erdbebengefährdeten Gebiet, was technisch hohe Anforderungen an die Aussteifung des Gebäudes stellt. Das Verhalten von Holzbauten unter Erdbeben ist durch verschiedene Randbedingungen als sehr positiv zu bezeichnen. Holz besitzt bezogen auf seine Tragfähigkeit eine geringe Masse. Bei einem Erdbeben ist die zur Schwingung angeregte Masse („seismische Masse“) geringer als bei anderen Werkstoffen, die daraus resultierenden Kräfte somit entsprechend geringer. Somit müssen auch beim vorliegenden Projekt im Verhältnis weniger Kräfte in die aussteifenden Kerne eingeleitet werden, wodurch sich letzten Endes auch wirtschaftliche Vorteile ergeben. Weiterhin können durch die im Holzbau verwendeten mechanischen Verbindungsmittel große Verschiebungen aufgenommen werden, ohne dass die Holzverbindung komplett versagt.

Es ist hervorzuheben, dass anders als in Hybridbauten üblich die Aussteifung des Gebäudes sowohl über die Stahlbetonkerne als auch über die Brettsperrholzwände erfolgt. Dadurch konnten die Stahlbetonkerne auf ein Mindestmaß reduziert werden. 

Die Menge des verwendeten Holzes ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte als „maximal“ zu bezeichnen: Alle Tragwerksteile, die nicht aufgrund der einschränkenden geometrischen Randbedingungen oder unter Berücksichtigung der Aussteifung in Stahlbetonbauweise hergestellt sein müssen, sind in Holzbauweise geplant. Durch die unterschiedliche Geometrie der Nutzungseinheiten ist die über dem Erdgeschoss als Ebene zur Lastabfangung ausgelegt. Dies bedeutet, dass bei allen denkbaren Bauweisen immer Untergeschoss bis einschließlich Erdgeschoss in Stahlbetonbauweise hergestellt sein müssen. Im 1. und 2. Obergeschoss handelt es sich um einen Holzhybridbau, ca. die Hälfte der beiden Stockwerke in Stahlbetonbauweise hergestellt sind. In dieser Gebäudehälfte findet die Lastabtragung für die geometrisch schwierige Laststellung der Wohngeschosse in den darüber liegenden Geschossen statt, weiterhin werden relevante Leitungen im Stahlbetonteil geführt. Die Wohngeschosse im 3., 4. und 5. OG werden (mit Ausnahme der Treppenhäuser und der Aufzugskerne) vollständig in Holzbauweise ausgeführt.

Der Holzanteil am Bruttorauminhalt von 1. bis 5. OG beträgt ca. 60%.

• ca. 1.090 m3 Holz in tragenden Massivholzdecken, tragenden Massivholzwänden und Holzstützen (BSPH, BSH, NA)

• ca. 105 m3Holz in 1.250 m2 Holzständerbauwänden

• ca. 120 m3 Holz in den geplanten 92 Sanitärfertigzellen

• Insgesamt werden in Summe ca. 1.315 m3 Holz verbaut.

(Zum Vergleich: Beim Holzhochhaus in Heilbronn wurden 1.500m3 Holz verbaut!)

Statik:

Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe